Muttersein: Eine Reise, die niemals endet

Muttersein: Eine Reise, die niemals endet

Muttersein: Eine Reise, die niemals endet

Als ich meinen Sohn das erste Mal im Arm halten durfte, war da pures Glück: So ein winziges Wesen, so wunderschön und goldig. Ich war verzaubert. Verzaubert nach all den Strapazen dieser Horror Schwangerschaft. Knapp 9 Monate über der Kloschüssel zu hängen, bedeutet einfach nur eines: Der blanke Horror. Und auch heute, knapp neun Jahre später, bin ich noch immer verzaubert. Doch neben all dem Glück gibt es noch anderes, über das beseelte Jungmütter oft nicht offen sprechen: all das, was das Muttersein gerade beim ersten Baby an Schwierigkeiten mit sich bringt.

Ich will eine Lanze für alle Mams brechen, die nicht ab der ersten Sekunde vom Glück geküsst sind

Ja, nicht jede Mama hat das Glück, vom ersten Moment an verzaubert sein zu dürfen. Vielleicht braucht sie eine gewisse Zeit, um sich in ihrer Rolle einzufinden. Dieses Tabu möchte ich ansprechen, weil das Sprachrohr für das Thema immer noch winzig klein ist. Da ist die Angst vor den perfekten Mamas, die glücklich sind und ihre Babys vom ersten Augenblick an über alles lieben. Es gibt auch die anderen… und über sie möchte ich schreiben.

Eine Freundin hat vor einigen Jahre ihre Tochter zur Welt gebracht. Relativ schnell nach der Geburt habe ich gespürt: So ganz happy ist sie mit der Situation nicht. Irgendwann habe ich ihr von einem Brief erzählt, den ich zur Geburt meines Sohns bekommen hatte und in dem stand: „Nehmt euch die Zeit, euch kennenzulernen. Du und auch dein Baby, ihr werdet diese Zeit brauchen.“ Und so ist es auch. Wir erwarten, dass wir von der ersten Minute an glücklich sind. Sind wir es aber nicht, verurteilen wir uns selbst dafür. Dabei müsste genau das Gegenteil passieren! Schließlich gibt es nicht nur tolle Schwangerschaften, sondern eben auch welche, die einfach – pardon – beschissen verlaufen. Wir teilen unseren Körper mit einem anderen Wesen: Für die eine von uns mag das die Erfüllung ihres Lebens sein, für die andere völlig neutral und für die nächste eben gerade nicht das größte Glück auf Erden.

Scheinbar trauen wir uns immer zu sagen, wie gut wir uns fühlen. Und wenn es uns beschissen geht, passt das nicht ins Bild

Für mich war es die Schwangerschaft kein wahrgewordener Lebenstraum. Neun Monate lang hing ich über der Kloschüssel, mir war einfach immer schlecht. Und wenn es das mal nicht war, dann hatte ich Sodbrennen. Ich musste Mahlzeiten unterbrechen, um mehrmals zur Toilette zu verschwinden. Selbst während der Geburt musste ich mich übergeben. (Echt eklig. Ist aber so gewesen.) Ich erinnere mich noch daran, dass ich irgendwann auf der Couch lag und dachte: „Dieses Kind muss jetzt endlich auf die Welt kommen. Ich halte das nicht mehr aus. Ich habe einfach keine Lust mehr.“ Und als dieses vollkommene Baby endlich da war, spielten meine Hormone verrückt.

Doch bei welchem Punkt beginne ich nun?

Bin ich jetzt nur noch Mama oder auch etwas anderes?

Viele Jahre lang war ich erfolgreich in meinem Job gewesen. Nun war ich auf einmal ausschließlich für dieses Baby da und mein Alltag drehte sich ausschließlich um Ihn. Ich gebe zu: Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mich in diese Rolle hineingefunden hatte. Und ein Fan dieser Babyzeit werde ich nie werden. (Muss ich auch nicht.)

Ich fand es toll, als mein Sohn angefangen hat zu sprechen. Mit mir kommunizieren konnte. Laufen gelernt hat. Gelächelt und mich erkannt hat. Das waren Momente, in denen ich glücklich war. Überhaupt finde ich, ab zwei Jahren fängt die Sache so richtig an, Spaß zu machen. Und jetzt, mit knapp neun, ist alles einfach nur noch genial: Mein Sohn läuft alleine zu mir in den Laden, wenn er aus der Schule kommt. Wir können zusammen Eis essen gehen, Sport machen, Filme schauen und dabei Süßigkeiten essen. Wir streiten uns, weil jeder seine Meinung vertritt. Wir raufen uns wieder zusammen. Wir sitzen beim Essen zusammen und unterhalten uns. Lachen und rätseln über vieles. Das bereitet mir wirklich Freude.

Da sitzt jetzt ein kleiner Mensch vor mir, mit Ideen für sich und sein Leben. Mit Vorlieben und Neigungen. Eine kleine Persönlichkeit mit Schwächen und Stärken. Ich darf meinen Sohn an der Hand nehmen und ihn begleiten. Ihm meine Sicht der Welt zeigen und ihm helfen, seine eigene Sicht zu finden.

Warum dürfen wir uns keine Zeit lassen, unseren Weg als Mama zu finden?

Der Weg hat sich gelohnt: Heute liebe ich es, Mutter zu sein. Ich liebe meinen Sohn über alles. Und ich bin unglaublich stolz auf ihn. Er ist so ein toller Junge und hat unser Leben so bereichert! Aber ich bin auch eine eigenständige Frau mit eigenen Ideen und Träumen. Sie kollidieren manchmal mit dem Muttersein – aber das ist nicht schlimm. Weil ich nie das Gefühl hatte, etwas verpasst zu haben. Ich bin meinen Weg mit meinem Sohn gegangen. In vielen Bereichen gab es eine Findungsphase, manchmal auch Zweifel und Ängste. Sie sind heute überwunden.

Würde ich heute etwas anders machen? Ja: Ich wäre nicht mehr so streng mit mir selbst. Ich wäre großzügiger und würde diese Phase meines Lebens als Geschenk sehen, um mich weiterzuentwickeln.

Eine Freundin meinte vor kurzem, dass wir manchmal ganz schön kritisch mit anderen Mamas und ihren Ideen zum Muttersein waren. Heute sehe ich das genauso. Als junge Mutter be- und verurteilte ich manchmal andere Mütter. Heute weiß ich: Jede Mama, jedes Kind ist individuell. Wir alle tragen unsere Hoffnungen und Wünsche mit uns herum und schaffen es manchmal besser und manchmal schlechter, die rosarote Illusion mit der gelebten Wirklichkeit zu verbinden.

Müssen wir uns als neu Mamas schlecht fühlen, weil wir die Erwartungen der anderen nicht zu erfüllen scheinen?

Wie schlimm muss es für eine Mama sein, wenn sie ihr neu geborenes Kind anschaut und sich schlecht fühlt, weil sie nicht vom ersten Augenblick an erfüllt ist. Dann noch ein Blick auf die glücklichen Instagram-Mamas, die Babys wie am Fließband auf die Welt zu bringen scheinen und vor Glückshormonen nur so strotzen.

Ah, Moment. Ich wollte ja nicht mehr be- oder verurteilen. Also noch einmal von vorne und etwas neutraler: Falls Ihr keine glückliche und beseelte Mama seid, haltet euch am besten fern von den vom Glück geküssten Mamas. Jedenfalls so lange, bis ihr euch gefunden habt – bis ihr euch mit eurem Baby gefunden habt. Und traut euch um Himmels Willen auch einmal zu sagen: „Danke der Nachfrage, es läuft gerade beschissen.“ (Vielleicht äußert ihr das aber nicht bei zuuu vielen Mamas, weil euch sonst die gut gemeinten Ratschläge und Hilfsangebote erschlagen könnten.)

Toll wäre es, wenn ihr eine Mama finden würdet, mit der ihr euch verbünden könnt. Mit der ihr euch gemeinsam auskotzen und das Muttersein auch einmal als das sehen könnt, was es ist: unglaublich anstrengend, ermüdend und zermürbend. Und doch jeden einzelnen Tag voller Liebe – der Liebe zu diesem wundervollen Wesen!

Empfohlene Beiträge