Happy Kids

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Was macht Kinder eigentlich glücklich und zufrieden? Welche Rolle spielen genetische Anlagen? Und welche die familiäre Situation der Kinder? Wieviel Fürsorge ist des Guten zuviel? Und wie viel Freiheit überfordert Kinder?

Die Spaltung der Gesellschaft schreitet nicht nur in Deutschland unweigerlich voran, vermutlich ist es sogar ein global zu betrachtendes Thema, das uns alle betrifft. Und da die Politik ausgesprochen eindrucksvoll gezeigt hat, dass sie das Thema NICHT lösen wird, sollten wir uns alle fragen, welchen Beitrag wir leisten können, um genau das in unserer Gesellschaft zu verhindern. Oder wenigstens zu verbessern.

Denn unsere Kinder spielen bei der ganzen Geschichte eine viel größere Rolle, als wir alle zu glauben scheinen: Unsere Kinder sind das, was wir Zukunft nennen. Deshalb muss es unser größtes Bestreben sein, unseren Kindern eine Welt zu eröffnen, in der wir füreinander Sorge trage. Eine Gemeinschaft, in der die Stärkeren für die vermeintlich Schwächeren Verantwortung tragen und ihnen helfen, ihren Platz zu finden.

Es gibt Kinder aus sozial schwächeren Familien, die diesen Platz in der Gemeinschaft oft verzweifelt suchen. Nicht selten zwingen sie die Umstände ihres Lebens dazu, falsche Entscheidungen zu treffen. Das darf nicht sein! Eine liebe Bekannte – sie stammt aus Afghanistan – sagte einmal zu mir: „Bildung ist der Schlüssel zu allem.“ Ich sehe das genauso: Bildung ist und bleibt der Schlüssel. In ein Bildungssystem zu investieren, das Kinder fördert und gut ausbildet, so dass sie später unabhängige Erwachsene werden, ist für mich der Grundstein einer glücklichen Gesellschaft.

In Deutschland und in weiten Teilen Europas vermissen wir diese Haltung an vielen Stellen ausgesprochen schmerzlich. Wir haben ein Bildungssystem, in dem der Lehrer*innenberuf als einzige Aufstiegsmöglichkeit den Job der Schulleitung kennt und einer der größten Antriebe, diesen wunderbaren Beruf zu ergreifen, die vielen Ferientage sind. (Ganz klar: Es gibt natürlich Lehrer*innen, die das Metier aus purem Idealismus und nicht wegen des Beamtenstatus oder der vielen Freizeit betreiben.) Aber weshalb wird dieser so wichtige Beruf – der meiner Meinung einer Berufung gleichkommt – nicht mit einem größeren Maß an Eigenverantwortung ausgestattet? Warum darf nicht jede Schule dank eines eigenen Budgets entscheiden, für welche Maßnahmen Geld in die Hand genommen wird? Ganz zu schweigen von der freien Schulwahl! Ich plädiere für eine gut strukturierte Schule mit gut ausgebautem Internet, mit innovativen Lehrer*innen, die sich engagiert um die Zukunft „ihrer“ Kinder kümmern. Ach ja: Leistungsorientierte Bezahlung ohne Beamtenstatus! Ganz ehrlich? Mir würde spontan so vieles einfallen, das wir verbessern könnten, um unseren Kindern die Chance für eine Zukunft zu ermöglichen, die Arbeit nicht als Strafe sieht, sondern als Mehrwehrt für die Gesellschaft.

Warum gibt es inzwischen Stadtteile, in denen ausschließlich Kinder aus sozial schwachen Familien Schulen besuchen, während Eltern aus der gehobenen Mittelschicht nicht einmal auf den Gedanken kämen, ihre Kinder dort abzuliefern. Was unterscheidet die beiden Gruppen voneinander? Warum findet zunehmend eine Separation dieser beiden Gruppen statt? Und warum wird Bildung in Deutschland so stark vernachlässigt? Warum wird kein Geld in Schulen investiert? Warum wird an Lehrplänen aus längst vergangenen Zeiten festgehalten? Warum hat der Anteil privater Schulen in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten um 20 Prozent zugenommen? Und was genau, bitteschön, hat die regierende Politik in den letzten 20 Jahren unternommen und vorangetrieben??? Es sind Fragen über Fragen, um die ich mich in diesem Artikel kümmern möchte. Antworten werde ich vermutlich nicht finden, aber jedenfalls möchte ich verschiedene Blickwinkel aufzeigen.

Als ich ein Kind war, ging ich in einem 2000-Einwohner-Dorf zur Schule. Es gab genau eine Grundschule, die von allen Kindern besucht wurde. Wir fuhren in einer Dreiergruppe mit dem Rad zur Schule und durften unsere Räder beim Dorfdiakon abstellen. Gemeinsam liefen wir zur einzigen Ampel im Ort, um die befahrene Hauptstraße zu überqueren. Unser Pausenspiel war Hüpfgummi, zum Mittagessen fuhren wir nach Hause, die Nachmittage verbrachten wir im Wald und unsere Eltern ließen uns einfach machen. Wir dachten uns Spiele aus und stellten uns auf der Wiese liegend vor, was wir alles irgendwann mal machen würden, wenn wir nur erst erwachsen wären.

Irgendwie scheint das ein Bild aus längst vergangenen Zeiten zu sein. Okay, sicherlich verklärt sich durch die Jahre der Blick ein wenig, aber trotz allem stelle ich mir immer wieder die Frage, was genau in diesen Jahren zwischen früher und heute passiert ist, dass ein Teil von uns seine Kinder in den Objektstatus emporgehoben hat und sich über sie definiert und zugleich ein anderer Teil der Eltern durch Überforderung glänzt, so dass die Kinder größtenteils sich selbst überlassen sind.

Einerseits sehe ich Eltern, die sich über ihre Kinder definieren und ihnen ein Höchst-, nein, ein Übermaß, an Aufmerksamkeit entgegenbringen. Manchmal stehe ich fassungslos daneben und frage mich, ob diese erwachsenen Menschen das wirklich ernst meinen… da wird aus jedem Kind ein kleiner Halbgott! Ja: Auch für mich ist MEIN Sohn das aller-, allertollste Kind der Welt und etwas ganz Besonderes. Allerdings kann ich sehr gut unterscheiden, welche Fähigkeiten dieser kleine Mensch mitbringt und welche Fähigkeiten eben nicht. Im Laufe der der Zeit habe ich mich immer wieder gefragt: Was wünsche ich mir für dieses kleine Wesen? Was möchte ich ihm für seinen Weg mitgeben? Welche Eigenschaften sind mir wichtig? Welche Perspektiven möchte ich ihm aufzeigen?

Die wichtigste Antwort war (und ist) mir immer, dass er es schaffen soll, Konventionen zu überwinden. Nicht mit der Masse mitzuschwimmen (die absolut größte Herausforderung), seinen Weg zu gehen und herauszufinden, was ihn wirklich glücklich macht. Laue Sommernächte, Menschen, die ihn lieben, geistreiche Gespräche, Tagträume. Zeit für Blödsinn. Viele Fehler, die er machen darf/soll/muss, um herauszufinden, welchen Weg er gehen möchte. Das Gefühl, zu wissen, dass er immer nach Hause kommen darf, um seinen sicheren Zufluchtsort zu finden. Eltern, die ihn immer lieben, egal was passiert. Einen offenen Geist und den wohlwollenden Blick auf Menschen jeglicher Schicht und jeglicher Herkunft. Menschen mit Respekt zu behandeln. Jede*r ist wichtig, jede*r hat einen eigenen Platz. Der große Karl Lagerfeld bekannte in einem Interview einmal, wie sehr er die Menschen um sich herum zu schätzen wisse und dass jeder bei der Sache, die er ausführe, enorm wichtig sei. Genau so sehe ich das auch – und diesen Wert möchte ich meinem Sohn mit auf den Weg geben.

Jede*r von uns hat eine Geschichte, der wir Achtung entgegenbringen und Respekt zollen sollten. Tue anderen Gutes und teile deinen Besitz – nur geteilte Freude kann wachsen! Lasst uns auf Menschen achten, die vom Leben nicht mit Glück überschüttet wurden. Finde deinen Platz auf der Welt und überlege dir, welche Spuren du hinterlassen möchtest. Unsere Zeit ist begrenzt, also gehe mit der kostbaren Zeit achtsam um und verschwende sie nicht mit belanglosen Dingen.

Ich glaube nicht daran, dass in der Erziehung keine Regeln gelten sollten. Ich glaube, unsere kleinen Menschen brauchen einen Rahmen, in dem sie sich bewegen sollten, um ihren Geist frei entfalten zu können. Ich glaube an Struktur und Disziplin, um Träumen einen Raum geben zu können. Und ich glaube daran, dass Meilensteine, die in unserer Kindheit gelegt werden, auch im Erwachsenenalter umgelegt und durch den Einfluss von Menschen, die uns wichtig sind, verändert werden können. Es gibt etliche Beispiele von Menschen, die es trotz einer schweren Kindheit zu Großem im Leben gebracht haben. Und es gibt Menschen, die von ihrem Elternhaus alles Erdenkliche mitbekommen und ihr Leben in ein klägliches Dasein verwandelt haben.

Ja, ich glaube an das Glück in mir selbst und an die Kraft aus mir selbst. Genausogut weiß ich aber auch, wie schwer es sein kann, Glück und Stärke in sich selbst zu finden. Die Summe der Werte formt einen Charakter – und das Aller-, Allerentscheidenste bei der ganzen Sache ist der Prozess des Loslassens. Diese Reise beginnt mit dem Tag der Geburt. Jeden Tag macht das Kind mindesten einen Schritt von uns weg: Es lernt laufen, es beginnt zu sprechen undsoweiter.

All diese Schritte sollten eine Kindheit im besten Falle prägen. Doch für viele Kinder sieht die Realität anders aus. Was uns fehlt, ist – glaube ich – der praktische Ansatz: der aktive Teil des Lernens. Wenn wir Politiker*innen hätten, die aktiv in der Wirtschaft mitarbeiten müssten, um Arbeitsprozesse zu verstehen, wenn wir Minister*innen hätten, die eine zum jeweiligen Amt passende Ausbildung absolvieren müsste. Politische Entscheider*innen, denen von Beginn Empathie mit auf den Weg gegeben würde. Die, durch soziale Projekte verpflichtet, die Bodenhaftung und den Bezug zu den Menschen nicht verlören.

Wenn wir eine Kultur der Gemeinsamkeit fördern und die Verantwortung der Einzelnen höher bewerten würden, wäre unserer Gesellschaft enorm geholfen. Ich habe den Eindruck, wir hoffen immer auf den Aktionismus der anderen, damit wir uns bloß selbst nicht bewegen müssen. Leider wird oft argwöhnisch auf die Fehler der anderen geschaut – und diese (Un-)Kultur geben wir an unsere Kinder weiter. Wir sollten großzügiger miteinander umgehen. Egal welche Herkunft: Seien wir großzügig und hilfsbereit mit unserem Umfeld, mit unserer Umwelt, und versuchen wir, sie ein wenig besser zu machen. Feiern wir die Individualität und die Unterschiede! Feiern wir die Offenheit füreinander! Nein, wir können und müssen nicht die ganze Welt verändern, wir können aber in unserem Umfeld damit beginnen, unseren Kindern ein Vorbild zu sein. Und wir können darauf vertrauen, dass unser Verhalten Kreise ziehen wird, die die Welt besser werden lassen. Das Glück liegt im Geben.

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